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Pech im Unglück

Ein kalter Januartag. Unglücklich schlurft ein alter Mann über den Rummelplatz, seine Route ergibt sich aus dem Hauptstrom der fröhlichen Masse. Er hebt kaum den Blick, er interessiert sich eigentlich nicht für die Buden und Fahrgeschäfte. Es schiebt ihn in die Nähe einer Losbude. "Kommen Sie, versuchen Sie ihr Glück! 1o Lose nur drei Mark, phantastische Hauptgewinne. Lose, mein Herr?" - "Nein, nein, ich hab kein Glück mehr. Es würde sich nicht lohnen, ein Los zu kaufen." - "Aber, aber, was heißt das: Kein Glück? Jeder ist seines Glückes Schmied! Sehen Sie, ich schenke Ihnen sogar ein Los!" Ungläubig nimmt der alte Mann das Los entgegen. Unter dem aufmunternden Blick des Losverkäufers reißt er das Röllchen auf. Im Innern steht eine Nummer. "Vierunddreißig", sagt der alte Mann überrascht und zweifelnd zugleich. Der Losverkäufer besieht sich das Los. "Gratuliere!", dröhnt er, "Sie haben einen Hauptgewinn!" Ungläubig betrachtet der alte Mann abwechselnd sein Los und die prächtig geschmückte Ecke in der Bude, in der sich die Hauptgewinne stapeln: Riesige Plüschbären, Haushaltsgeräte, Fernseher, Sportartikel, ein Fahrrad, edle Spirituosen. Der Losverkäufer besteigt eine Trittleiter und bimmelt wie verrückt eine Glocke. "Und wieder ein Hauptgewinn, meine Damen und Herren, wieder ein Hauptgewinn und zwar für diesen Herrn hier." Er strahlt den Alten an, und als sich die Blicke der Vorüberziehenden wieder abwenden, springt er von seinem Podest. "Jetzt suchen Sie sich mal schön einen ordentlichen Gewinn aus", meint er und schlägt dem Alten leutselig auf die Schulter. "Darf ich wirklich?", stottert er und zeigt aufgeregt auf die Gewinne. "Ja doch, Sie haben schließlich gewonnen. Glück muß man eben haben!", sagt der Verkäufer. Eilig schlurft der alte Mann los. Er ist so aufgeregt, dass er mir seinem Hinkefuß an einer schlecht festgeklebten Leitung hängen bleibt und beinahe stürzt. "Himmel!", schreit der Verkäufer, aber er meint nicht den Alten. Eine Verpuffung läßt die Passanten herumschrecken. Am Ende der Leitung ist durch den Ruck der Gasofen umgestürzt, mit dessen Hilfe sich die Leute von der Losbude einigermaßen warm hielten. Der Gasschlauch ist von der Flasche abgerissen, das unkontrolliert ausströmende Gas hat sich entzündet. Nun brennt die Losbude. "Feuer, Feuer!" Die Flammen breiten sich aus am Losstand. Noch bevor der Besitzer der Frittenbude mit einem Feuerlöscher herüberstürzt sieht jeder, dass hier nichts mehr zu retten sein wird. Unter der fröhlichen Begleitung der Karussellmusik von nebenan brennt der Losstand, umringt von einer schweigenden Menge, dem fassungslosen Verkäufer und dem in sich versunkenen Alten völlig aus. "Eine Katastrophe", sagt der Verkäufer schließlich, "Hoffentlich zahlt das die Versicherung." - "Sehen Sie", ruft der alte Mann plötzlich lebhaft, "sehen Sie, was ich meine? Ich habe kein Glück mehr. Da schenkt mir ein guter Mensch ein Los, und ich gewinne, und schon brennt's." Er wird leiser. "Natürlich. Nein, nein, ich hab kein Glück mehr. Ich nicht, nein, mein Glück ist schon alle. Ich hab's schon gehabt, mein Glück, alles. Für mich gibt s keins mehr." Mit diesen Worten schlurft er davon. Sein nutzloses Los hat er fallen lassen. Er verschwindet in der Menge und schließlich sieht ihn niemand der Umstehenden mehr.


   
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